MELBOURNE - EUROPE MEETS ASIA
veroeffentlicht auf www.wienweb.at
Sydney ist New York, Melbourne ist Berlin. Oder London. Oder Wien. Nirgendwo in Australien sei die Angewohnheit, Nachmittage in Cafes zu verbringen, so ausgeprägt wie in Melbourne, wird mir versichert. Also Wien. Die Stadt lebt von Vergleichen - vor allem mit der etwas größeren Schwester Sydney. Dabei ist Melbourne eine einzigartige Stadt - gerade durch die Widersprüche, die sei vereint.
von Roman Schmidseder
Im äußersten Süden des Kontinents, weit weg von jedem anderen Erdteil, hat sich eine Melange der Kulturen und Subkulturen gebildet. An diesem Ort ist die alternative Beisl-Szene ebenso daheim wie die internationale Finanzwirtschaft. Die Sprayer-Community hat Melbourne zu ihrer Hauptstadt erkoren. Das beschert der Stadt eine etwas berlinesk heruntergekommene Atmosphäre. Sportbegeisterte treffen hier auf Weltsport, Gourmets auf kulinarische Einflüsse aus aller Welt.
Sport ist das Lebenselixier Australiens
Was das Wahrzeichen Melbournes sei, frage ich einen Mitzwanziger bei einem endlosen Gespräch in einem italienischen Cafe. "Das Epizentrum ist der Cricket Ground", so die überraschende Antwort. Cricket ist neben Football so etwas wie die Nationalsport der Aussis und besonders der Melbourner. Beim Endspiel der Australian Football League ist die ganze Stadt auf den Beinen: Man trifft sich zu Barbequeue, Bier und der Live-Übertragung im Fernsehen.
Wenn Mitte März die Commonwealth Games - die Olympischen Spiele der englischsprachigen Welt - stattfinden, herrscht sowieso Ausnahmezustand. Für diese Mega-Veranstaltung wurden hurtig auch noch die Graffitis aus der Stadt verbannt. Man sieht, es ist nicht immer ein friedliches Miteinander der Kulturen.
Die Kochtöpfe der Welt - versammelt in einer Stadt
Auf der anderen Seite ist Australien auf den Fundamenten einer pluralistischen Gesellschaft gebaut. Das Land war und ist ein Ort der Begegnung von Kulturen und Melbourne in diesem Punkt Hauptstadt. Asiatische Einwanderer bilden heute eine annähernd gleichgroße Bevölkerungsgruppe wie die alten Europäer, die einst als Strafgefangene, dann als freie Siedler kamen.
Sushi trifft auf Fish & Chips
Entsprechend groß ist der kulinarische Einfluss des angelsächsischen Raums auf den Kontinenten. Fish & Chips konkurrieren mit Pad Thai. Sushi ist so gut und günstig wie selten wo. Das französische Bistro reiht sich an das globale Chinarestaurant. "Organic Food", Essen aus nachhaltigem und biologischem Anbau, erobert scheibchenweise den Markt.
Die meisten Lokale befinden sich im Stadtteil Fitzroy. Aus der ehemals berüchtigten Brunswick Street und der angrenzenden Smith Street wurde die Drogenszene vor ein paar Jahren vertrieben. Seither entwickelt sich dort eine quirlige Cafe- und Restaurantszene. Die Lygon Street im benachbarten Carlton beherrscht die bunt gemischte Studentenschar Melbournes.
Umstrittener Einfluss der Moderne
Das Melbourne des 21. Jahrhunderts entsteht entlang des Yarra Rivers, der die Stadt durchschneidet. Das südliche Ufer ist von den mächtigen Wolkenkratzern Southbanks gesäumt. Der größte Turm der südlichen Hemisphäre wird gerade vollendet.
Gegenüber, am Federation Square, haben findige Stadtplaner einen umstrittenen Gebäudekomplex verwirklicht. Neben dem viktorianischen Bahnhof erhebt sich ein Monument mutiger Architektur. Von vielen Einwohnern wird es wegen des Stils und der enormen Kosten kritisiert. Das Areal beherbergt unter anderem ein Museum moderner Kunst, ein Filmmuseum und stylische Lokale.
Erinnerung ans ferne Wien
Sich dort niederzulassen, lässt die Heimat näher rücken: In einem Melbourner Cafe einen Nachmittag lang auf den Rausschmiss warten, kann dauern. Und man fühlt sich ein wenig ans ferne Wien erinnert - nur die Kellner sind freundlicher. Und es kann durchaus sein, dass man gern noch länger in dieser einzigartigen Stadt bleiben will.
FACTBOX SIGHTSEEING
Melbourne hat kein spektakuläres Sightseeing-Programm a la Sydney (das etwa mit dem Opera House und der Harbour Bridge glänzt) zu bieten. Dennoch locken mehrere Attraktionen, die man gesehen haben sollte.
Der Botanical Garden ist einer der größten der Welt und beherbergt auf 345.000 Quadratmetern unzählige Tier-Pflanzenarten. Hier können in der Urwald-Landschaft Flughunde beobachtet werden. Diese Fledermaus-ähnlichen Geschöpfe sind ab Einbruch der Dunkelheit auf der Suche nach - pflanzlicher - Nahrung.
In unmittelbarer Umgebung sind die Monuments von King Georg V und Queen Victoria aufgestellt. Der Shrine of Remembrance gedenkt der Kriegsopfer. Die militärische Propaganda kann man ignorieren und aufs Dach steigen. Dort erhält man einen schönen Blick über die Stadt.
Die Station Flinders Street ist im viktorianischen Stil erbaut - sie ist auf jeden Fall einen Blick wert. Daneben befindet sich der umstrittene Federation Square mit der Ian Potter-Gallery für moderne Kunst und dem Centre for the Moving Image. Mehrere Lokale laden zum Verweilen ein.
Eine Menge Kunst gibt's auch im Australian Centre for Contemporary Art (111 Sturt Street, Southbank), Andere Sehenswürdigkeiten sind das Immigration Museum über die Einwanderer Australiens (Flinders Street/Market Street), das Melbourne Aquarium (Queenswharf Road/Kings Street).
Der Queen Victoria Market bietet alles Erdenkliche aus dem kulinarischen Reich (zwischen Queen Street und Peel Victoria Street). Eine große Auswahl an Essensständen bietet auch der Food Court im Einkaufszentrum über der Melbourne Central Station.
Die größte Kirche ist die St. Patricks Cathedral (Station Parliament), in unmittelbarer Nähe zu den weitläufigen Fitzroy Gardens. Für Architekturfans seien noch die Docklands am anderen Ende der City angemerkt. Dort entstehen aus alten Werften neue Büros, Wohnungen und Lokale.
Sydney ist New York, Melbourne ist Berlin. Oder London. Oder Wien. Nirgendwo in Australien sei die Angewohnheit, Nachmittage in Cafes zu verbringen, so ausgeprägt wie in Melbourne, wird mir versichert. Also Wien. Die Stadt lebt von Vergleichen - vor allem mit der etwas größeren Schwester Sydney. Dabei ist Melbourne eine einzigartige Stadt - gerade durch die Widersprüche, die sei vereint.
von Roman Schmidseder
Im äußersten Süden des Kontinents, weit weg von jedem anderen Erdteil, hat sich eine Melange der Kulturen und Subkulturen gebildet. An diesem Ort ist die alternative Beisl-Szene ebenso daheim wie die internationale Finanzwirtschaft. Die Sprayer-Community hat Melbourne zu ihrer Hauptstadt erkoren. Das beschert der Stadt eine etwas berlinesk heruntergekommene Atmosphäre. Sportbegeisterte treffen hier auf Weltsport, Gourmets auf kulinarische Einflüsse aus aller Welt.
Sport ist das Lebenselixier Australiens
Was das Wahrzeichen Melbournes sei, frage ich einen Mitzwanziger bei einem endlosen Gespräch in einem italienischen Cafe. "Das Epizentrum ist der Cricket Ground", so die überraschende Antwort. Cricket ist neben Football so etwas wie die Nationalsport der Aussis und besonders der Melbourner. Beim Endspiel der Australian Football League ist die ganze Stadt auf den Beinen: Man trifft sich zu Barbequeue, Bier und der Live-Übertragung im Fernsehen.
Wenn Mitte März die Commonwealth Games - die Olympischen Spiele der englischsprachigen Welt - stattfinden, herrscht sowieso Ausnahmezustand. Für diese Mega-Veranstaltung wurden hurtig auch noch die Graffitis aus der Stadt verbannt. Man sieht, es ist nicht immer ein friedliches Miteinander der Kulturen.
Die Kochtöpfe der Welt - versammelt in einer Stadt
Auf der anderen Seite ist Australien auf den Fundamenten einer pluralistischen Gesellschaft gebaut. Das Land war und ist ein Ort der Begegnung von Kulturen und Melbourne in diesem Punkt Hauptstadt. Asiatische Einwanderer bilden heute eine annähernd gleichgroße Bevölkerungsgruppe wie die alten Europäer, die einst als Strafgefangene, dann als freie Siedler kamen.
Sushi trifft auf Fish & Chips
Entsprechend groß ist der kulinarische Einfluss des angelsächsischen Raums auf den Kontinenten. Fish & Chips konkurrieren mit Pad Thai. Sushi ist so gut und günstig wie selten wo. Das französische Bistro reiht sich an das globale Chinarestaurant. "Organic Food", Essen aus nachhaltigem und biologischem Anbau, erobert scheibchenweise den Markt.
Die meisten Lokale befinden sich im Stadtteil Fitzroy. Aus der ehemals berüchtigten Brunswick Street und der angrenzenden Smith Street wurde die Drogenszene vor ein paar Jahren vertrieben. Seither entwickelt sich dort eine quirlige Cafe- und Restaurantszene. Die Lygon Street im benachbarten Carlton beherrscht die bunt gemischte Studentenschar Melbournes.
Umstrittener Einfluss der Moderne
Das Melbourne des 21. Jahrhunderts entsteht entlang des Yarra Rivers, der die Stadt durchschneidet. Das südliche Ufer ist von den mächtigen Wolkenkratzern Southbanks gesäumt. Der größte Turm der südlichen Hemisphäre wird gerade vollendet.
Gegenüber, am Federation Square, haben findige Stadtplaner einen umstrittenen Gebäudekomplex verwirklicht. Neben dem viktorianischen Bahnhof erhebt sich ein Monument mutiger Architektur. Von vielen Einwohnern wird es wegen des Stils und der enormen Kosten kritisiert. Das Areal beherbergt unter anderem ein Museum moderner Kunst, ein Filmmuseum und stylische Lokale.
Erinnerung ans ferne Wien
Sich dort niederzulassen, lässt die Heimat näher rücken: In einem Melbourner Cafe einen Nachmittag lang auf den Rausschmiss warten, kann dauern. Und man fühlt sich ein wenig ans ferne Wien erinnert - nur die Kellner sind freundlicher. Und es kann durchaus sein, dass man gern noch länger in dieser einzigartigen Stadt bleiben will.
FACTBOX SIGHTSEEING
Melbourne hat kein spektakuläres Sightseeing-Programm a la Sydney (das etwa mit dem Opera House und der Harbour Bridge glänzt) zu bieten. Dennoch locken mehrere Attraktionen, die man gesehen haben sollte.
Der Botanical Garden ist einer der größten der Welt und beherbergt auf 345.000 Quadratmetern unzählige Tier-Pflanzenarten. Hier können in der Urwald-Landschaft Flughunde beobachtet werden. Diese Fledermaus-ähnlichen Geschöpfe sind ab Einbruch der Dunkelheit auf der Suche nach - pflanzlicher - Nahrung.
In unmittelbarer Umgebung sind die Monuments von King Georg V und Queen Victoria aufgestellt. Der Shrine of Remembrance gedenkt der Kriegsopfer. Die militärische Propaganda kann man ignorieren und aufs Dach steigen. Dort erhält man einen schönen Blick über die Stadt.
Die Station Flinders Street ist im viktorianischen Stil erbaut - sie ist auf jeden Fall einen Blick wert. Daneben befindet sich der umstrittene Federation Square mit der Ian Potter-Gallery für moderne Kunst und dem Centre for the Moving Image. Mehrere Lokale laden zum Verweilen ein.
Eine Menge Kunst gibt's auch im Australian Centre for Contemporary Art (111 Sturt Street, Southbank), Andere Sehenswürdigkeiten sind das Immigration Museum über die Einwanderer Australiens (Flinders Street/Market Street), das Melbourne Aquarium (Queenswharf Road/Kings Street).
Der Queen Victoria Market bietet alles Erdenkliche aus dem kulinarischen Reich (zwischen Queen Street und Peel Victoria Street). Eine große Auswahl an Essensständen bietet auch der Food Court im Einkaufszentrum über der Melbourne Central Station.
Die größte Kirche ist die St. Patricks Cathedral (Station Parliament), in unmittelbarer Nähe zu den weitläufigen Fitzroy Gardens. Für Architekturfans seien noch die Docklands am anderen Ende der City angemerkt. Dort entstehen aus alten Werften neue Büros, Wohnungen und Lokale.
romanwien - 20. Mär, 01:18